500 Jahre Reinheitsgebot – was ist das überhaupt?

In diesem Jahr wird überall des 500jährigen Jahrestags des deutschen Reinheitsgebots für Bier gedacht, es werden Ausstellungen zu diesem Jubiläum eingerichtet… Aber was ist das Reinheitsgebot eigentlich und ist das ursprüngliche Reinheitsgebot eigentlich noch gültig? Ich versuche an dieser Stelle einmal, die Fakten zusammenzutragen.

Gerne wird das Reinheitsgebot, das die bayerischen Herzöge Wilhelm IV. und Ludwig X. am 23. April 1516 in Ingolstadt verkündet haben, als das älteste noch gültige Verbraucherschutzgesetz der Welt bezeichnet. Ich kenne noch mindestens eine weitere Begründung für den Erlass des Reinheitsgebots, aber in diesem Artikel bleibe ich bei der offiziellen Begründung.

In der ursprünglichen Fassung des Reinheitsgebots sollten die Konsumenten vor überzogenen Preisen sowie vor minderwertigen oder sogar giftigen Rohstoffen geschützt werden. Heute ist nur noch der Teil übriggeblieben, der Gerste, Hopfen und Wasser für das Bier vorschreibt. Aber auch dieser Teil ist in der Vergangenheit immer wieder geändert worden. Am Bekanntesten dürfte die Änderung von Gerste in Gerstenmalz sein, da die Brauer irgendwann feststellten, dass sich die Gerste nach dem Malzen deutlich besser verbrauen lässt. Außerdem ist heute die Verwendung von Hefe erlaubt. Die Hefe war auch vor 500 Jahren erforderlich, sie war aber noch nicht bekannt, weshalb das Brauen mit wilden Hefen erforderlich war. Dieses Vorgehen ist heute noch in Belgien bekannt. Die Hefe wurde erst im 19. Jahrhundert in das Reinheitsgebot aufgenommen, nachdem Louis Pasteur die Wichtigkeit der Hefe für das Brauen von Bier nachgewiesen hatte.

Es wird gerne vom “Deutschen Reinheitsgebot” gesprochen. Das ist aber genau genommen nicht richtig. Erst mit dem Reichsgesetz vom 3. Juni 1906 übernahm das Deutsche Reich im Wesentlichen die Regelungen des Bayerischen Reinheitsgebotes für die Bierherstellung. Als Bayern im Jahr 1918 der Weimarer Republik beitrat, ließ sich Bayern in den Beitrittsverhandlungen zusichern, dass auch weiterhin im Freistaat keine besonderen Biere zugelassen werden, die noch weitere Zusätze wie Zucker, Zuckerkulör oder Gewürze enthalten. Beispiele für diese besonderen Biere sind der Schwarze Abt aus Neuzelle, dem beim Brauen Zucker zugesetzt wird, oder Witbier, das mit Bitterorangen und Koriander enthält.

Der Originaltext des Reinheitsgebots

“Wir verordnen, setzen und wollen mit dem Rat unserer Landschaft, dass forthin überall im Fürstentum Bayern sowohl auf dem Lande wie auch in unseren Städten und Märkten, die keine besondere Ordnung dafür haben, von Michaeli (29. September) bis Georgi (23. April) eine Maß (bayerische, entspricht 1,069 Liter) oder ein Kopf (halbkugelförmiges Geschirr für Flüssigkeiten – nicht ganz eine Maß) Bier für nicht mehr als einen Pfennig Münchener Währung und von Georgi bis Michaeli die Maß für nicht mehr als zwei Pfennig derselben Währung, der Kopf für nicht mehr als drei Heller (gewöhnlich ein halber Pfennig) bei Androhung unten angeführter Strafe gegeben und ausgeschenkt werden soll.

Wo aber einer nicht Märzen sondern anderes Bier brauen oder sonstwie haben würde, soll er es keineswegs höher als um einen Pfennig die Maß ausschenken und verkaufen.

Ganz besonders wollen wir, dass forthin allenthalben in unseren Städten, Märkten und auf dem Lande zu keinem Bier mehr Stücke als allein Gersten, Hopfen und Wasser verwendet und gebraucht werden sollen.

Wer diese unsere Anordnung wissentlich übertritt und nicht einhält, dem soll von seiner Gerichtsobrigkeit zur Strafe dieses Fass Bier, so oft es vorkommt, unnachsichtig weggenommen werden.

Wo jedoch ein Gastwirt von einem Bierbräu in unseren Städten, Märkten oder auf dem Lande einen, zwei oder drei Eimer (enthält etwa 60 Liter) Bier kauft und wieder ausschenkt an das gemeine Bauernvolk, soll ihm allein und sonst niemand erlaubt und unverboten sein, die Maß oder den Kopf Bier um einen Heller teurer als oben vorgeschrieben ist, zu geben und auszuschenken.

Gegeben von Wilhelm IV.

Herzog in Bayern

am Georgitag zu Ingolstadt anno 1516

So, jetzt kennen wir den ursprünglichen Text des Reinheitsgebots. Hier sind also nicht nur die erlaubten Zutaten aufgelistet, sogar der Höchstpreis wurde festgelegt. Versuchen Sie aber nicht, sich auf dem Oktoberfest in München auf diese Vorschrift zu berufen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Ihnen das gut bekommen würde. Oder Sie versuchen es und schicken mir hinterher ein Selfie, das Sie zeigt, nachdem Sie aus dem Festzelt herauskomplimentiert wurden.

Was gab es vor dem Reinheitsgebot von 1516?

Bereits vor 1516 gab es Reinheitsgebote für Bier, die aber nur lokale oder regionale Bedeutung hatten. Hier eine Auswahl.

Augsburg 1156

Mit der “Justitia Civitatis Augustensi” verlieh Friedrich Barbarossa am 21. Juni 1156 das Stadtrecht an die Stadt Augsburg das erste Stadtrecht Deutschlands. Darin heißt es: “Wenn ein Bierschenker schlechtes Bier macht oder ungerechtes Maß gibt, soll er gestraft werden…” Das Strafmaß betrug 5 Gulden, zu damaliger Zeit eine beträchtliche Summe, beim dritten Verstoß drohte die Aberkennung des Braurechts.

Nürnberg 1293

Aus dem Jahr 1293 stammt eine Vorschrift, die besagt, dass für Bier aus Nürnberg nur Gerste verbraut werden darf.

Weimar 1348

In Weimar wurde 1348 festgelegt, dass kein Brauer seinem Bier andere Grundstoffe als Malz und Hopfen zusetzen darf.

München: 1363 – 1487

München gilt bekanntlich als Hauptstadt des deutschen Biers. Bereits 1363 erhielten zwölf Stadträte die Bieraufsicht. Auf diese Weise sollte die Qualität des Gebrauten deutlich verbessert werden. 1420 musste das Münchner Bier laut Vorschrift eine bestimmte Zeit lang lagern, ehe es ausgeschenkt werden durfte und 1447 wurde schließlich festgeschrieben, dass nur Gerste, Hopfen und Wasser zum Brauen Verwendung finden darf.

Weißensee 1434

In einer Wirthausverordnung aus dem Jahr 1434 wurde in Weißensee in Thüringen festgelegt, das fürs Bierbrauen ausschließlich Malz, Hopfen und Wasser verwendet werden dürfen.

Regensburg 1447

In Regensburger sollte ab 1447 ein Stadtarzt das in der Stadt gebraute Bier und die verwendeten Zutaten streng kontrollieren. Seine Erfahrungen führten 1453 zur Einführung einer Brauordnung. Hinfort durften “Weder Samen noch Gewürz oder Gestrüpp” dem Bier beigemischt werden.

Herzogtum Bayern-Landshut 1493

Die vermutlich erste Vorschrift, deren Wirkungsbereich nicht auf eine Stadt beschränkt war, wurde von Herzog Georg dem Reichen für sein Herzogtum Bayern-Landshut erlassen. Seine Biersatzordung von 1493 schrieb fest: “Die Bierbrauer und andere sollten nichts zum Bier gebrauchen denn allein Malz, Hopfen und Wasser, noch dieselben Brauer, auch die Bierschenken und andere nichts Anderes in das Bier tun – bei Vermeidung von Strafe an Leib und Gut.”

Soweit also eine Übersicht über Biervorschriften, die älter sind als das in diesem Jahr gefeierte Reinheitsgebot. Mir fällt auf, dass in diesen älteren Vorschriften bereits von Malz die Rede ist, während das Reinheitsgebot, das später erschienen ist, noch von Gerste die Rede war. Eine Antwort auf diesen augenfälligen Widerspruch habe ich leider nicht gefunden.

Ist das Reinheitsgebot noch zeitgemäß?

Auf diese Frage kann ich keine abschließende Antwort geben. So einfach die Frage erscheint, so komplex ist eine Antwortfindung. Ich will hier aber einmal meine Gedankengänge niederschreiben.

Welchen Sinn hat das Reinheitsgebot?

Zunächst einmal ist da die Lebensmittelsicherheit. Da halte ich die allgemeine Lebensmittelsicherheit für ausreichend. Wir essen Haferflocken ohne uns zu vergiften. Das würde uns auch nicht passieren, wenn Hafer verbraut würde. Auch die ursprüngliche Absicht, keine Konkurrenzsituation zwischen Brauer und Bäcker aufkommen zu lassen, dürfte bei uns heute keine Rolle mehr spielen. Nach Medienberichten werden weltweit etwa 70 % der pflanzlichen Produktion für die Tierfütterung verwendet. Und in letzter Zeit wurde mehrfach im Fernsehen berichtet, dass vom Rest noch einmal ein Drittel entsorgt wird. Damit landet gerade mal ungefähr ein Fünftel der Pflanzenproduktion auf unseren Tellern. Im Gegensatz zur Situation vor 500 Jahren, als Lebensmittel noch knapp und Hungersnöte an der Tagesordnung waren, greift das Argument der Konkurrenzsituation beim Getreide heute nicht mehr.

Bier, das nach dem Reinheitsgebot gebraut wird, ist ein Naturprodukt. Dieses Argument wird häufig von den Befürwortern des Reinheitsgebots in Feld geführt. Aber seien wir mal ehrlich. Das Getreide wird gekeimt, gedarrt, gemahlen, gekocht, vergoren… Auch der Hopfen wird in vielen Fällen recht derbe behandelt, bevor er zum Brauen verwendet wird. In vielen Fällen wird beim Brauen Hopfenextrakt verwendet. Dieser enthält hauptsächlich die Bitterstoffe des Hopfens, so dass Bier, in dem beim Brauprozess ausschließlich Hopfenextrakt verwendet wurde, meist recht langweilig schmecken und als Billigbier verramscht werden. Andererseits hat Slowfood dem Bier im Jahr 2015 eine Ausgabe seiner Zeitschrift gewidmet, in der ein Sprecher des bayerischen Brauerbunds unwidersprochen ausgeführt hat, dass die erste Hopfung durchaus mit Hopfenextrakt durchgeführt werden kann, da die Aromen des Hopfens verfliegen würden. Erst bei der zweiten Hopfung ist die Verwendung von Naturhopfen oder von Hopfenpellets erforderlich. Dem widersprechen die Brauer, die mit Naturhopfen arbeiten. Ich bin kein Brauer, sondern Konsument und kann das nicht beurteilen. Aber Hopfenextrakt ist zunächst eine Paste, die ggf. mit einer Lösung als Trägermaterial gemischt und sprühgetrocknet wird. Vom ursprünglichen Hopfen ist dieses Produkt dann doch recht weit entfernt, trotzdem aber seit 1968 nach dem Reinheitsgebot erlaubt.

Ein anderes Thema, an dem sich die Geister scheiden, ist das Farbebier. Dabei handelt es sich um ein sehr stark eingebrautes dunkles Bier, das konzentriert und dem eigentlichen Bier, das verkauft werden soll, zugegeben wird. Obwohl das Farbebier nichts per se schlechtes ist und wohl auch nicht deklariert werden muss, ist es nicht unumstritten. Dr. D. Lachenmeier schrieb 2008 auf der Website des Chemischen und Veterinäruntersuchungsamtes Karlsruhe: “Dunkle Biere werden aus ökonomischen Gründen sehr oft nicht unter Verwendung dunkler Malze, sondern durch nachträgliche Färbung von hellem Bier mit sogenannten Röstmalzbierkonzentraten (früher Farbebier genannt) hergestellt. Solche nachgemachten dunklen Biere sind aus Sicht der amtlichen Lebensmittelüberwachung nur unter entsprechender Kenntlichmachung verkehrsfähig … Von 80 untersuchten dunklen Bieren wurden lediglich 18 (22%) ausschließlich unter Verwendung von dunklem Malz hergestellt. Bei 22 Bieren (28?%) konnten Anteile dunklen Malzes nachgewiesen werden, wobei offensichtlich geringere Anteile Röstmalzbierkonzentrat zur Farbeinstellung verwendet wurden. Die restlichen 40 dunklen Biere (50%) wurden durch Umfärben aus hellen Bieren hergestellt, wobei nur 8 Biere (20 % der umgefärbten) eine ausreichende Kenntlichmachung aufwiesen.”

Dann ist das Reinheitsgebot sicher auch als Werbeargument hilfreich. Der Begriff suggeriert einfach Vertrauen. Aber müssen deshalb alle anderen Rohstoffe verboten werden? Was spricht dagegen, Bier wie jedes andere Lebensmittel zu behandeln und nur den Bieren, die aus den vier Zutaten im Reinheitsgebot hergestellt wurden, die Werbung mit dem Reinheitsgebot zu erlauben? Bilden Sie sich Ihre eigene Meinung.

Diesen Artikel habe ich mit Material vom Private Brauereien Bayern e.V. erstellt.

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