Die Weltbierproduktion ist 2019 gemäß BarthHaas Bericht Hopfen 2019/2020 seit fünf Jahren erstmals wieder leicht angestiegen – um 0,5 Prozent auf 1.913 Millionen Hektoliter. Für 2020 steht allerdings bereits fest: Bedingt durch Covid-19 ist mit deutlichen Absatzeinbußen zu kalkulieren. So geht Plato Logic derzeit davon aus, dass der Weltbiermarkt in diesem Jahr ein Minus zu verkraften hat, das zwischen 6,5 und 11,2 Prozent schwanken kann.
Vor allem wegen phasenweise ausgesetzter Tourismus- und Gastronomieaktivitäten sowie einer schleppenden Erholung der genannten Wirtschaftsbereiche rechnet das Marktforschungsinstitut 2020 mit einem weltweiten Pro-Kopf-Konsum an Bier von nur noch 24,2 Liter (2019: 26,2 Liter/Kopf). Nach Regionen gesplittet prognostiziert Plato Logic den höchsten Pro-Kopf-Konsum mit 56,4 Liter (2019: 59,4 Liter) für den amerikanischen Kontinent. Es folgen Europa mit 52,6 Liter/Kopf (2019: 56,2 Liter/Kopf), Asien/Pazifik mit 16 Liter/Kopf (2019: 17,4 Liter/Kopf) sowie Afrika und der Mittlere Osten mit 8,3 Liter/Kopf (2019: 9,8 Liter/Kopf). Innerhalb Europas soll Tschechien mit 144,1 Liter/Kopf (2019: 155,3 Liter/Kopf) mit Abstand Spitzenreiter bleiben. Auf Platz 2 sieht der Marktforscher Deutschland mit 102,9 Liter/Kopf (2019: 106,4 Liter/Kopf). Platz 3 dürfte Österreich mit 99,2 Liter/Kopf (2019: 110,9 Liter/Kopf) vor Rumänien und Polen für sich beanspruchen. Aller Voraussicht nach wird sich im laufenden Jahr hinsichtlich der Rangfolge der größten bierproduzierenden Länder wenig ändern. Nach China sehen BarthHaas und Plato Logic gleichermaßen die USA, Brasilien, Mexiko, Deutschland, Russland, Japan, Vietnam und Großbritannien vorne an. Auf Platz 10 vermutet BarthHaas Polen, während Plato Logic von Spanien ausgeht.
Top-40-Brauereigruppen halten rund 90 Prozent der Weltbierproduktion
Die größten zehn Brauereigruppen werden 2020, so lauten die Prognosen, ein zum Vorjahr identisches Ranking beibehalten. Gemäß BarthHaas verbuchte die globale Nummer 1, AB InBev, 2019 einen Anteil von 29,3 Prozent an der Weltbierproduktion auf sich. Gemeinsam mit den nächstplatzierten Heineken, China Res. Snow Breweries, Carlsberg und Molson Coors betrug er 58,6 Prozent. Betrachten wir die 40 absatzstärksten Brauereigruppen weltweit, realisierten diese im vergangenen Jahr mit 1.723 Millionen Hektoliter 90,1 Prozent der Weltbierproduktion.
Craftbier mit Potenzial
Mit 77,1 Millionen Hektoliter trugen die Craftbrauereien 2019, so Plato Logic, etwa vier Prozent zum Weltbiermarkt bei. Innerhalb Europas (2019: 30,7 Millionen Hektoliter) gab es im Vergleich zum Vorjahr (2018: 30,6 Millionen Hektoliter) nur ein geringes Plus. Der Markt Afrika/Mittlerer Osten (2019: 0,25 Millionen Hektoliter) verhielt sich statisch. Von 37,6 auf 39,1 Millionen Hektoliter wuchsen die Produktionszahlen indes auf dem gesamten amerikanischen Markt und auch in der Region Asien/Pazifik ging es 2019 ordentlich bergauf: auf 7,1 Millionen Hektoliter (2018: 5,6 Millionen Hektoliter).
In den USA, dem Land, in dem die Craftbier-Bewegung startete, legte handwerklich Gebrautes 2019 erneut zu. Während der Gesamtbierabsatz um zwei Prozent sank, kamen Craftbiere mit 26,3 Millionen Barrel (ca. 30,9 Millionen Hektoliter) auf ein Plus von vier Prozent. Die Umsatzzahlen mit Craftbier beliefen sich auf 29,3 Milliarden US-Dollar und stiegen um sechs Prozent. Folglich hielt Craftbier am US-Biermarkt 2019 einen volumenmäßigen Anteil von 13,6 und einen wertmäßigen Anteil von 25,2 Prozent. Erwirtschaftet wurden diese Anteile von insgesamt 8.275 Craftbrauereien. Neben 942 Neugründungen gab es im letzten Jahr 294 Betriebsschließungen. Interessant: Die Top 50 US-Craftbrauereien, angeführt von den Spitzenreitern D.G. Yuengling and Son, Boston Beer Company und Sierra Nevada Brewing Company, vereinten 53,6 Prozent des US-Craftbierabsatzes auf sich (2018: 55,5 Prozent). Fakten, die unter anderem bestätigen, dass sehr kleine Brauereien, häufig auch Gasthausbrauereien, vor Ort, starken Zuspruch fanden.
Neu denken hilft
In den 2020er-Zahlen wird sich eine derart positive Entwicklung wohl nicht mehr zeigen. So rechnet Paul Gatza, Senior Vice President of Professional Brewing Division, Brewers Association, durch die aufgrund der Pandemie verursachten Restaurant- und Barschließungen mit rückläufigen Absätzen von mindestens 20 Prozent. Gatza: „Seit 1968 wird 2020 das erste Jahr in der Geschichte der Craftbrauer, sein, in dem Verkaufszahlen nach unten gehen.“ Dennoch sieht Gatza die Zukunft der US-Craftbrauer positiv: „Craftbrauer sind seit jeher offen für Neues und sowohl kreativ als auch flink. Diese Eigenschaften helfen in der jetzigen Situation enorm. Beispielsweise sind einige Craftbrauereien bereits mit alternativen alkoholhaltigen Trendgetränken wie Hard Seltzer äußerst aktiv.“ Laut Gatza haben sich die Craftbrauereien künftig auch darauf einzustellen, dass Verbraucher mehr Direktbelieferungen wünschen. „E-Commerce ist nun gelernt und wir rechnen damit, dass der Konsument auch nach den Beschränkungen durch Covid-19 auf diesen für ihn komfortablen Vertriebsweg setzen möchte.“
Ideenreich zeigen sich die vom Lockdown in der Gastronomie besonders betroffenen handwerklichen Brauereien indes weltweit. Ein Beispiel hierfür aus Australien: Eine Brauerei brachte im April die Marke „‚Plan: C‘ Simple Ale – The Brew to get you Through“ für wenige Monate in den Markt. Die Motivation war, ein Craftbier zu einem geringeren Preis als üblich zur Verfügung zu stellen, um denjenigen, die durch die Pandemie ein niedrigeres Einkommen generierten, den Craftbier-Genuss zu ermöglichen und gleichzeitig Geld in die eigene Kasse zu bekommen. Das 18er Dosenpack war für AU$ 40 erhältlich. Gemäß Mintel kosten mit Craftbier befüllte Sixpacks in Australien üblicherweise zwischen AU$ 19 bis 24. Zudem wurde – ebenso wie viele weitere Brauereien weltweit – ein kostenloser Lieferservice angeboten, um die rückläufige Entwicklung in der Gastronomie zu kompensieren. Eine weitere Karte, die Craftbrauereien derzeit häufig ziehen, ist die Bitte an die Nachbarschaft, sie durch entsprechenden Bierkonsum zu unterstützen. Vielfach wird Verbrauchern zudem die Möglichkeit geboten, in Crowdfunding-Projekte zu investieren.
Trend zur Regionalität
Auch die deutschen Brauereien haben es derzeit nicht leicht. Bereits 2019 sank der Bierabsatz der in Deutschland ansässigen Brauereien und Bierlager laut Statistischem Bundesamt gegenüber dem Vorjahr um 1,9 Prozent auf rund 92 Millionen Hektoliter. In der Corona-Krise spricht der Deutsche Brauer-Bund von verheerenden Folgen für seine Mitglieder. So ist der Bierabsatz gemäß einer Umfrage des Deutschen Brauer-Bundes im ersten Halbjahr 2020 in den Unternehmen um 16 Prozent zurückgegangen, der Umsatz lag im Schnitt um 19 Prozent unter dem Vorjahr. Für das Gesamtjahr 2020 rechnen die Mitgliedsbrauereien des DBB mit einem Absatzminus von mindestens 14 Prozent und mit einem Umsatzeinbruch von durchschnittlich 16 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Marc-Oliver Huhnholz, Pressesprecher Deutscher Brauer-Bund: „Die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie auf die Betriebe der deutschen Brauwirtschaft erreichen auch in Bezug auf den Einbruch des Bierabsatzes ein seit Gründung der Bundesrepublik nie dagewesenes Ausmaß.“ Als einen positiven Aspekt sieht Stefan Stang, Hauptgeschäftsführer des Verbands Private Brauereien Bayern, den Trend zu regionalen Biermarken, der sich seiner Meinung zufolge in der Krise in Deutschland eher verstärkt hat und weiter verstärken wird.
In der Krise Chancen sehen
In der Krise Chancen sehen und neue Ideen realisieren – ein Motto, das auch einige deutsche Brauereien aufgreifen. Beispielsweise fand Mitte März der Rollout der ersten beiden Sorten von HopfenFrucht statt, einer neuen Getränkekategorie, die aus einem alkoholfreiem Bier und Direktsaft besteht. Eine hessische Brauerei brachte Anfang April einen Bier-Apfelwein-Hybrid in den Markt, der Helles mit Äppelwoi vereint. Eine ganz andere jedoch nicht minder erfolgreiche Idee verwirklichte eine andere Brauerei anlässlich der Einführung einer neuen Bierspezialität. Sie organisierte für Besucher im Mai eine Brauerei-Besichtigung mit dem eigenen PKW.
Alkoholfreie und alkoholarme Biere bedienen Gesundheits- und Sober Curious-Trend
Vielleicht liefert die Krise für einige Brauereien auch den Anstoß, noch mehr in Richtung alkoholfreie und alkoholarme Biere zu denken. Laut Plato Logic stieg der globale Konsum in diesem Segment von 44,8 Millionen Hektoliter (2018) auf 47,5 Millionen Hektoliter in 2019. Innerhalb Europas legten die Alkoholfreien und Alkoholarmen im genannten Zeitraum von 28 Millionen Hektoliter auf 29,8 Millionen Hektoliter zu. Ein Segment, das auch den Trend zu gesunder Ernährung sowie den aus den USA stammenden „Sober Curious“-Trend (nüchtern, aber neugierig) bedient. Wie „in“ Alkoholfreies sein kann, demonstrierten beispielsweise erst kürzlich schottische Craftbrauer. So eröffneten sie im hippen Londoner Zentrum Anfang des Jahres eine Bar, in der ausschließlich alkoholfreies Craftbier angeboten wird.