Carlsberg und Microsoft wollen mit Künstlicher Intelligenz neue Biere kreieren

Carlsberg wurde im Jahr 1847 gegründet und hat 140 Getränkemarken in 150 Ländern der Welt im Angebot. Die Brauerei, die es seit 1847 gibt, will jetzt mit künstlicher Intelligenz neue Geschmacksrichtungen vorhersagen und ausloten. Das “Beer Fingerprinting Project” soll Forschern dabei helfen.

Sensoren und KI-Software

Jochen Förster alias “Dr. Beer” ist als Professor für die Fermentierung im Carlsberg Research Laboratory zuständig. Gegenüber MSN beschreibt er die Gründe für dieses Projekt: “Es klingt nett, wenn man jeden Tag einen Haufen Bier verkosten darf, aber wir kreieren hunderte Microliter an Bier und in so kleinem Volumen, dass es nicht einmal möglich ist, die alle zu testen”, sagt Förster. “Also haben wir bemerkt, dass uns Sensoren dabei helfen könnten”, so der Professor. Diese sollen nun verschiedene chemischen Zusammensetzungen und Komponenten, die den Geschmack ausmachen, ausprobieren und vorhersagen, wie ein Bier schmecken wird.

Das Lab arbeitet dabei eng mit der Aarhus Universität zusammen, um die Sensoren zu entwickeln sowie mit der Technischen Universität von Dänemark im Norden von Kopenhagen, um herauszufinden, wie man diese in verschiedenen Stadien des Brauprozesses einsetzen kann. Das Lab arbeitet zudem mit Microsoft zusammen, um die Signale der Sensoren zu analysieren. Dabei kommt künstliche Intelligenz (KI) zum Einsatz. Lernende Algorithmen sollen die Geschmäcker und Aromen kennenlernen und abwägen.

Unterschied zwischen Pils und Lager

Das Projekt ist auf einen Zeitraum von drei Jahren angelegt und hat vor sechs Monaten begonnen, heißt es in einem Blogeintrag von Microsoft. Ergebnisse liegen daher bisher keine vor. Die Sensoren können allerdings bereits zwischen einem Pils und einem Lager unterscheiden. Man arbeite bereits am Feintuning, so Förster.

Das Ziel des Projekts ist es, die Zeit zu reduzieren, die es benötigt, um Kombinationen und Prozesse auszutesten, um neue Sorten zu kreieren. Damit könnte Carlsberg künftig früher neue Biersorten auf den Markt bringen als die Konkurrenz.

Von Anfang an hat Carlsberg daran geforscht, die Braukunst zu optimieren. Der dänische Brauer gründete bereits 1876 ein Labor – was zu dieser Zeit ein völlig neues Konzept war – und entdeckte 1883 einen Weg zur Reinigung von Hefe, der eine konsequente Bierproduktion ermöglichte. Das Unternehmen beschloss, es mit anderen Brauereien zu teilen, und die Carlsberg Hefe wird in den meisten der heute hergestellten Biere der Welt verwendet. Das Labor entwickelte auch die pH-Skala, die zum Standard bei der Bestimmung des Säuregehalts einer Flüssigkeit geworden ist.

Kein Wunder also, dass Carlsberg heute eine Vorreiterrolle spielen will, wenn es darum geht, künstliche Intelligenz (KI) in eine der ältesten Industrien der Welt zu bringen. Das Beer Fingerprinting Project soll den Forschern von Carlsberg, dem viertgrößten Braukonzern der Welt, helfen, Aromen schneller zu erkennen und vorherzusagen. Dazu trägt auch der Wechsel in die Cloud bei, um die Wachstumsstrategie “Sail 22” zu beschleunigen und dem erhöhten Wettbewerbsdruck besser zu begegnen.

Als Förster vor 20 Jahren mit Hefe zu arbeiten begann, hatte ein internationales Konsortium von Dutzenden von Forschern gerade das Hefegenom entschlüsselt und veröffentlicht, nachdem sie es jahrelang gemeinsam untersucht hatten. Jetzt kann er innerhalb einer Woche die gleichen Daten über eine bestimmte Belastung zurückbekommen, die viel detaillierter charakterisiert sind. Diese Geschwindigkeit hat eine Flut von Daten erzeugt und eine Situation geschaffen, in der die KI wirklich glänzen kann, sagt er, indem sie Datensätze schnell analysiert und Muster zeigt.

Technologische Fortschritte in der Kommunikation helfen dem Team von Förster, auch in der Praxis Schritt zu halten. Das Beer Fingerprinting Project ist “ein sehr skandinavisches Projekt”, an dem in verschiedenen Städten in Dänemark und Schweden gearbeitet wird, sagt Förster. Die Entfernung zwischen ihnen macht es schwierig, sich regelmäßig persönlich zu treffen, aber Tools wie Teams, Sharepoint und Skype haben den Prozess der kollektiven Kreativität beschleunigt, sagt er.

Der dänische Brauereikonzern hat gerade “ein massives Reengineering und Reimagining” seiner Infrastrukturplattform durchlaufen, um seine Leistung und vor allem seine Agilität und Geschwindigkeit zu steigern”, sagt Haywood.

Die Hauptaufgabe des Carlsberg Forschungslabors besteht darin, eine möglichst vollständige wissenschaftliche Grundlage für die Mälzerei, Brauerei und Gärung zu schaffen.

Die Darstellungen von Microsoft und Carlsberg sind naturgemäß recht optimistisch formuliert. Ich habe mich in der jüngeren Vergangenheit etwas mit der Künstlichen Intelligenz beschäftigt und mein Eindruck ist, dass dieses Projekt an die Grenzen des derzeit technologisch möglichen geht. Das Bierbrauen ist zwar eine Abfolge relativ einfacher Arbeitsschritte, aber die chemischen Prozesse, die dabei in Gang gesetzt werden, ist ungeheuer komplex.

Das beginnt bereits mit der Auswahl der Zutaten. Es gibt mehr als fünf Dutzend Malze, die je nach gewünschtem Ergebnis miteinander gemischt werden können. Das lässt sich noch relativ einfach durch traditionelle IT unterstützen. Aber es gibt mehr als 200 Hopfensorten, die ebenfalls untereinander gemischt werden können. Bei den Bitterhopfen ist das noch keine allzu große Hürde, denn bei denen kommt es ja auf den Gehalt an Alphasäure an. Schwieriger wird es bei den Aromahopfen, die unterschiedliche Aromen ins Bier bringen.

Die Aromen aus dem Hopfen wirken allerdings nicht additiv. Sorgt ein Hopfen für das Aroma roter Beeren und ein anderer Hopfen für das Aroma von Grapefruit, heißt das nicht, dass daraus ein Bier mit den Aromen roter Beeren und von Grapefruit entsteht. Teilweise werden einzelne Düfte exponentiell verstärkt, die Aromen einiger Hopfensorten verschwinden auch, wenn ein bestimmter anderer Hopfen zugefügt wird. Zusätzlich gibt es im Brauprozess unterschiedliche Zeitpunkte, zu denen Hopfengaben eingesetzt werden. Je nach Zeitpunkt der Hopfengabe reagiert der Hopfen unterschiedlich. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich diese Effekte alle in einer Datenbank darstellen lassen. Jetzt komme ich aber langsam in den Bereich der Kaffeesatzleserei.

Realistisch erscheint mir aber, dass es möglich ist, auf traditionelle Weise, also analog mit natürlicher Intelligenz des Brauers, zu entwickeln und durch die Sensoren den Geschmack des Probesuds analysieren zu lassen. Aber auch das wäre sicher der Wirtschaftlichkeit der Entwicklung eines neuen Bieres zuträglich.

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