Slow Brewing – was ist das?

Die Brauerei Welde aus Plankstadt hat mir kürzlich ihre drei neuen Craft-Biere geschickt. Auf den Rückenetiketten dieser Biere ist das Siegel “Slow Brewing” abgedruckt. Solche Siegel machen mich immer neugierig. Immer wieder finde ich in den Medien Berichte über sinnlose Siegel, die sich die Hersteller verschiedener Produkte teilweise sogar selber verleihen. Auf der anderen Seite ist der Großteil der Siegel durchaus sinnvoll und weist auf eine besondere Qualität der Produkte oder auf eine besonders sinnvolle Herstellung der Produkte hin. So habe ich einmal versucht, herauszufinden, wie es bei Slow Brewing aussieht.

Grundsätzlich hat das Wort “Slow” im Zusammenhang mit Lebensmitteln einen guten Ruf. Bekanntestes Beispiel ist “Slow Food”. Wo die Schnecke dieses Vereins auf der Verpackung eines Produkts zu sehen ist, können wir uns darauf verlassen, dass es sich um ein hochwertiges Erzeugnis mit eigenem Charakter handelt. Jetzt will ich versuchen herauszufinden, ob das beim Bier und Slow Brewing ebenfalls der Fall ist.

Slow Brewing ist ein eingetragener Verein, der nach der aktuellsten Pressemitteilung 26 Mitglieder in Deutschland, Österreich, Italien und der Schweiz hat. Von allen Bieren dieser Brauereien, die ich bislang getestet habe, war ich begeistert. Irgendetwas macht der Verein wohl richtig. Aber sehen wir uns erst einmal an, wie sich der Verein selbst darstellt:

“Herausragender Geschmack und ein gutes Gewissen beim Genießen. Dafür stehen Bierspezialitäten, die mit dem Slow Brewing Gütesiegel ausgezeichnet sind. Neben der Verwendung reinster, natürlicher Rohstoffe ist es die langsame, schonende Brauweise des Slow Brewing, die sich ganz wesentlich auf den besonders runden und ausgereiften Geschmack von Slow Brewing Bieren auswirkt. Slow Brewer geben ihren Bierspezialitäten die ideale Zeit zum Reifen. Außerdem verzichten sie ganz bewusst auf die weit verbreitete nachträgliche Verdünnung des fertigen Biers (High Gravity Brewing). Allgemein versteht man darunter eine Verdünnung von konzentriertem Bier auf die sortentypische Trinkstärke. Bei der Vergärung derartiger Würzen ergibt sich beim ausgedünnten Bier ein anderes Aromaprofil als bei Bieren mit Originalstammwürze. Aus diesem Grund ist High Gravity bei Slow Brewing eine “No-go-Technologie”. Die schonende Brauweise des Slow Brewing wirkt sich aber nicht nur positiv auf den Geschmack aus, es entstehen auch weniger sogenannte Fuselalkohole als bei beschleunigten Herstellungsverfahren, die oft in der industriellen Massenproduktion zum Einsatz kommen. Diese Gärungsnebenprodukte werden häufig für eine schlechtere Verträglichkeit verantwortlich gemacht. Damit man die herausragenden Slow Brewing Biere auch mit gutem Gewissen genießen kann, geht Slow Brewing über die Prüfung der Bierqualität hinaus und bewertet auch die Qualität der Brauerei, die es herstellt. Slow Brewing zertifiziert ausschließlich Unternehmen, die in allen Bereichen ihrer Wertschöpfungskette fair und bewusst agieren. Dieser ganzheitliche Zugang macht Slow Brewing zum konsequentesten Gütesiegel am internationalen Biermarkt.”

Wenn wir die Informationen aus diesem Pressetext zusammenfassen bleiben eigentlich nur zwei Informationen übrig: das Bier wird sofort in Trinkstärke gebraut und auch das soziale Verhalten der Brauerei gegenüber den Mitarbeitern und Lieferanten geht in die Bewertung ein. Der Rest klingt erst einmal nach Marketingsprüchen, deren inhaltliche Bedeutung im Einzelnen betrachtet werden sollte. Sehen wir uns die Details einmal an.

Wie und wie häufig prüft Slow Brewing?

Dazu schreibt Slow Brewing: “Die geschmackliche Qualitätsprüfung des Biers erfolgt jeden Monat durch das renommierte Forschungszentrum Weihenstephan (TU München). Die Bierqualität wird über 12 Monate im Jahr sowohl im frisch abgefüllten als auch im “gealterten” Produkt überprüft. Damit steht auch die Qualitätskonstanz des Biers im Fokus und das ist eine der schwierigsten Herausforderungen für jeden Brauer.”

Eine monatliche sensorische Qualitätsprüfung ist wohl nahe an der Grenze, was vertretbar und ökonomisch sinnvoll ist. Das gefällt mir. Zweifel habe ich aber an der Aussagekraft der Prüfungen am gealterten Bier. Dafür gibt es mehrere Gründe: In der Brauerei und/oder in Weihenstephan werden die Biere sicher ordnungsgemäß und produktschonend gelagert. In der Realität sieht die Situation aber anders aus. Sobald das Bier die Brauerei verlassen hat, hat die Brauerei keinen Einfluss mehr auf die Lagerbedingungen des Bieres. Das beginnt schon beim Transport. Das Thermometer zeigt derzeit deutlich über 30 Grad Celsius an. Stellen wir uns jetzt einmal vor, ein Fernfahrer soll eine Ladung Bier aus Süddeutschland nach Hannover bringen. Er ist die Nacht durchgefahren und lädt morgens das Bier. Anschließend muss er seine gesetzlich vorgeschriebene Pause machen. Nicht nur der Fahrer ist ein armes Schwein, das dann bei diesen Temperaturen im Auto schlafen soll. Auch auf der Ladefläche herrschen die gleichen Temperaturen. Nun mag ein industriell gebrautes Bier das schadlos überstehen, aber wie sich ein nicht pasteurisiertes Bier bei diesen Temperaturen verhält, mag sich jeder selbst vorstellen. Auch im Handel herrschen in der Regel nicht die optimalen Bedingungen. Im Getränkemarkt, in dem ich häufiger bin, werden die Biere bei Außentemperatur gelagert, und das sicher manchmal über mehrere Wochen oder gar Monate. Ein so gelagertes Bier dürfte wohl deutlich schneller altern als ein Bier in Weihenstephan.

Außerdem ist Bier nicht gleich Bier. In hopfenbetonten Bieren bauen sich die Aromen im Laufe der Zeit ab. Wer einmal ein deutlich überlagertes IPA getrunken hat, wird festgestellt haben, dass die Fruchtigkeit stark nachgelassen hat und aus dem leckeren Bier eine eher bittere Brühe geworden ist. Auf der anderen Seite gibt es die malzbetonten Biere, die im besten Fall in der Flasche reifen. Sie verändern sich also noch und werden dabei besser. Dabei denke ich beispielsweise an die Inselbrauerei auf Rügen, die nach belgischem Vorbild den Bieren eine zweite Gärung in der Flasche gönnt und die Biere nicht pasteurisiert. Solche aufwändig hergestellten Biere würden bei dieser Qualitätsprüfung vermutlich durchfallen.

Slow Brewing schreibt weiter: “Die Überprüfung der Brauerei und der Herstellung wird vom Slow Brewing Institut jährlich durchgeführt. Zertifiziert werden dabei u.a. Rohstoffqualität, Art und Qualität der Brauweise und die Qualität der Unternehmensführung und -kultur. Das strenge, wissenschaftlich fundierte Audit umfasst mehr als 500 Fragen, die von den unabhängigen Experten des Slow Brewing Instituts definiert wurden. Das Gütesiegel wird nur vergeben, wenn alle Bereiche als ausgezeichnet bewertet werden.”

Das Slow Brewing Institut – wissenschaftlich fundiert

Auch dazu schreibt Slow Brewing etwas: “Vergeben wird das Gütesiegel nach harter und umfangreicher Prüfung vom Slow Brewing Institut, einem unabhängigen und wissenschaftlich fundierten Kontrollorgan. Bestehend aus zehn Brauexperten aus Lehre und Forschung rund um Dr. August Gresser, Ehrenmitglied der “Accademia della Birra” und des Verbandes ehemaliger Weihenstephaner der Brauerabteilung e.V., arbeitet das Institut mit einem wissenschaftlichen Beirat und unabhängigen Experten der TU München und der CERB zusammen. Getragen wird das Institut durch faire Kommunikations- und Marketingbeiträge der ausgezeichneten Brauereien und Beiträge von Förderern mit der Motivation, strenge, objektive und konsequente Richtlinien für die Auszeichnung von herausragenden Bieren zu gewährleisten. Slow Brewing wurde 2011 als “Bewegung” mit äußerst strengen Aufnahmekriterien ins Leben gerufen. Nach der kontinuierlichen Weiterentwicklung der Kriterien wurde 2016 als Konsequenz das Slow Brewing Institut gegründet. Seit diesem Zeitpunkt kann sich jede Brauerei für das Gütesiegel bewerben.”

Dem ist nicht viel hinzuzufügen. Ich habe die neun Mitglieder des wissenschaftlichen Beirats von Slow Brewing recherchiert und dabei festgestellt, dass es ich um ausgewiesene und anerkannte Experten des Brauwesens handelt.

Ich habe hier einige Punkte genannt, bei denen ich jetzt nicht mit Slow Brewing übereinstimme. Dabei handelt es sich aber weniger um eine Kritik an der Arbeit von Slow Brewing, sondern mehr um Fragen, die noch einer Klärung bedürfen. Auf der BrauBeviale wird Slow Brewing einen Stand betreiben. Ich hoffe, dass mich die Messe Nürnberg für diese Veranstaltung akkreditiert. In diesem Fall werde ich die offenen Fragen sicher mit Slow Brewing klären können und hier weiter berichten.

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