Das Pils wird 175 Jahre alt

Das Pils oder Pilsener hat die westböhmische Stadt Pilsen berühmt gemacht. Dieser heute meistgetrunkene Bierstil der Welt ist Ergebnis eines bayerisch-böhmischen Know-how-Transfers, der bereits mehr als 200 Jahre vor der Aufnahme Tschechiens in die Europäische Gemeinschaft bestens funktionierte. Denn erfunden wurde das Pilsner, weltweit der Star unter den Bieren, Mitte des vorletzten Jahrhunderts nicht von einem Böhmen, sondern einem waschechten Niederbayern: dem Braumeister Josef Groll, der am 11. November 1842 zum ersten Mal ein von ihm “erfundenes” Bier ausschenkte, das die Welt des goldgelben Gerstensaftes revolutionierten sollte.

Das Wasser von Pilsen sei besser zu trinken, als das in der Stadt gebraute Bier, hieß es Anfang des 19. Jahrhunderts. Die Qualität des Biers war so schlecht, dass im Jahr 1838 sogar der Magistrat von Pilsen die öffentliche Vernichtung von 36 Fässern anordnete – eine große Schande für die Bier liebenden Böhmen. Die suchten deshalb nach diesem Vorfall einen kompetenten Berater aus dem damals bereits für sein Bier berühmten Bayern. Angeheuert wurde der 29 Jahre junge Josef Groll. Der Bierbrauer war 1813 in Vilshofen als Sohn eines Brauerei-Besitzers geboren worden. Die familieneigene Brauerei allerdings durfte sein jüngerer Bruder übernehmen, der den elterlichen Betrieb später in die Insolvenz führte.

Und so trug es sich zu, dass Josef Groll 1842 mit einem alten Braurezept seines Vaters in der Tasche und zwei Helfern ins 180 Kilometer entfernte Pilsen reiste. Am 11. November 1842 wurde zum ersten Mal ein Pils ausgeschenkt. Innerhalb weniger Monate schaffte Groll, woran sich zuvor die böhmischen Braumeister erfolglos versucht hatten und erfand den heute meistgetrunkenen Bierstil der Welt. Grolls Leistung war es, bei seiner Brauweise den Hopfen als Aromastoff in den Vordergrund zu rücken, sagen heute Experten.

Zunächst verwendete er statt der bis dahin üblichen obergärigen Bierhefe eine untergärige Hefe. Der Export der Hefe war damals aber verboten. Der Legende nach versteckte Josef Groll die Hefe daher in seinem Spazierstock, um sie über die Grenze zu bringen. Dies ist zwar nicht historisch belegt, aber zumindest als Geschichte ganz nett. Sein entscheidender Einfall aber war der Austausch des damals dunklen gegen helles Malz und er setzte überdurchschnittlich viel Hopfen zu. Das weltberühmte Pilsner mit seiner lichtgelben Farbe und dem edel-bitteren Geschmack war geboren. Wenn Sie heute nach Pilsen reisen, können Sie noch die unterirdischen Eiskeller besichtigen, in denen damals die Biere gelagert wurden. Die Keller, hoch wie ein Kirchenschiff, sollen wirklich beeindruckend sein.

Bis heute entfallen rund zwei Drittel des gesamten deutschen Bierausstoßes von zuletzt rund 95 Millionen Hektolitern pro Jahr auf diese herb-hopfige Gerstensaft-Sorte. Andere Bierstile können von solchen Zahlen nur träumen. Jeder zweite Mann trinkt einmal pro Woche ein Pils, ein Drittel sogar mehrmals wöchentlich. Der seit Jahren sinkende Bier-Pro-Kopf-Konsum von in 2016 rund 104 Litern pro Jahr sichert den Deutschen nach den letzten vorliegenden Vergleichszahlen aus 2015 Platz drei. Ganz vorne: die Tschechen mit 135 Litern pro Kopf, gefolgt mit weitem Abstand von Österreich mit 105 Litern.

Der Erfinder des Pilsners ist bis heute nicht vergessen, weder in seiner Geburtsstadt Vilshofen noch in Pilsen. In Vilshofen erinnert heute eine Gedenktafel an seinem Geburtshaus an den Braumeister. Die einzige verbliebene Brauerei in Vilshofen hat zu Ehren des Erfinders des Pilsners ein “Josef Groll Pils” im Sortiment. In Pilsen, der Stadt, die dem Bier den Namen gab, steht der Sudkessel, in dem Groll sein erstes Bier ansetzte. Der kupferne Bottich wird verehrt wie eine Reliquie. Hier hängt auch ein Portrait des legendären Braumeisters. Die Bierstube “Na parkanu” beim Brauereimuseum in der Pilsner Innenstadt schenkt bis heute Urquell nach der Originalrezeptur aus. Heute werden in der westböhmischen Stadt jährlich rund zehn Millionen Hektoliter “Urquell” produziert und in 60 Länder der Welt exportiert. Von der Werbeabteilung der Brauerei wird dabei der Vater des Pilsners 175 Jahre nach dem ersten Ausschank noch immer gerne genutzt.

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